Same procedure as every y… – oh!

Langjährige LeserInnen kennen das allfrühjährliche Ritual: Das BSV veröffentlicht «Invalidenversicherung – Zahlen und Fakten» (Formerly known as «Betrugsbekämpfung in der IV» – mittlerweile ergänzt und ohne «Betrug» im Titel: «IV-Neurenten stabilisieren sich, mehr berufliche Eingliederung»). Und ich bemängle dann, dass die Gesamtzahl der auf Missbrauch überprüften Dossiers nicht genannt wird.

Ich freue mich nun sehr, dass man im BSV offenbar genauso wenig Wert auf die strikte Einhaltung von langjährigen Traditionen legt wie ich («Cheerio, Miss Sophie!») und deshalb im entsprechenden Faktenblatt dieses Jahr einen neuen Abschnitt eingefügt hat:

Bei allen Rentenabklärungen infolge von Neuanmeldungen und bei allen Revisionen laufender Renten von Versicherten im In- wie im Ausland wird überprüft, ob Anhaltspunkte für möglichen Versicherungsmissbrauch bestehen. 2014 hat die IV rund 46‘000 Renten revidiert, und knapp 16‘000 Personen erhielten neu eine Rente. Die Zahl der bestätigten Missbrauchsfälle zeigt, dass die massiv überwiegende Mehrheit der Versicherten sich korrekt verhält und ihre Leistungen zu Recht bezieht.

Bei aller Freude traue ich mich fast nicht, doch noch zu kritisieren. Nämlich, dass statt der Zahl der Neurenten, korrekterweise jene der Rentenanträge hätte angegeben werden müssen, schliesslich steht im Faktenblatt explizit:

Dabei bestätigte sich der Verdacht in 540 Fällen, was eine Herabsetzung oder Aufhebung der Rentenleistung, resp. die Nichtzusprache einer Neurente zur Folge hatte.

Entweder man nimmt die «Missbrauchsversuche» komplett aus der Statistik, oder man gibt auch die entsprechende Grundgesamtheit (=Rentenanträge) an. Da die Ablehnungsquote bei den Rentenanträgen bei ca. 60% liegt, wären das 40’000 überprüfte Dossiers (statt der 16’000 Neurenten). Rentenrevisionen (46’000) plus Neurentenanträge (40’000) ergibt 86’000 überprüfte Dossiers. Das ergäbe bei 540 Missbrauchsfällen (inkl. Missbrauchsversuche) eine Missbrauchs-Quote von 0,6%. Den Versuch einer ungefähren Berechnung der Missbrauchsquote unternehme ich hier ja seit Jahren immer wieder und man kann’s drehen und wenden wie man will, sie liegt vermutlich unter 1%. (Davon abgesehen wurde auch dieses Jahr wieder nur in 30 Fällen Strafanzeige erstattet.)

Weil es das BSV so schön formuliert hat, wiederhole ich das nochmal (*Hicks!*):

Die Zahl der bestätigten Missbrauchsfälle zeigt, dass die massiv überwiegende Mehrheit der Versicherten sich korrekt verhält und ihre Leistungen zu Recht bezieht.

(Könnte der Satz vielleicht vor der nächsten IV-Debatte im Parlament laut vorgelesen werden? Damit die ParlamentarierInnen dann wissen, dass sie das Gesetz diesmal für die über 99% und nicht für die unter 1% machen.)

Das BSV veröffentlichte zeitgleich auch Faktenblätter zur Eingliederung (alles super), zur Entwicklung der Neurenten (auch super) und ob tatsächlich eine Verlagerung in die Sozialhilfe stattfindet (natürlich nicht).

Um es mit Admiral von Schneider zu sagen: «Skål!»