Sich wandelnde Strukturen

Am 20. Juni 2014 hielt Bundesrat Johann Schneider-Ammann eine Rede im KKL Luzern. Unter anderem sprach er über die wirtschaftlichen Folgen der Abstimmung zur Masseneinwanderung vom 9. Februar 2014:

Wir kommen nicht darum herum, uns wieder vermehrt aus dem eigenen Reservoir zu versorgen. Es gibt ein ungenutztes Potential. Ich denke da in erster Linie an die zahlreichen ausgezeichnet ausgebildeten Frauen. Durch gezielte Vereinbarkeitsmassnahmen muss man ihnen – und ihren Männern – ermöglichen, ihre Erwerbsarbeitszeit angemessen zu erhöhen. Ich denke aber auch an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich mit 65 nicht zur Ruhe setzen wollen. Auch dieses Potential ist besser zu nutzen. Hier sind in erster Linie die Unternehmen gefordert: je früher sie handeln, umso eher bleiben sie am Arbeitskräftemarkt und damit ganz generell am Markt. Wir müssen aber vor allem auch optimale Bedingungen schaffen, dass die Leute in der Arbeit bleiben.

Ich würde jetzt mal behaupten, es hätte nichts an Schneider-Ammanns Rede geändert, wenn der Bericht über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung, der am 27. Juni 2014 vom BFS  veröffentlicht wurde, schon früher vorgelegen hätte. Dass laut dem Bericht Menschen mit Behinderungen heute besser ausgebildet sind als vor fünf Jahren, aber deren Arbeitsmarktbeteiligung nach wie vor 17% tiefer liegt als bei Nichtbehinderten und in effektiven Zahlen ausgedrückt nur jede zweite Person mit starker Behinderung überhaupt eine Arbeitsstelle hat, hätte Schneider-Ammann (wenn denn er oder sein Redenschreiber sich dafür interessiert hätten) vermutlich auch nicht dazu gebracht,  auf das brachliegende Potential von Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen hinzuweisen.

Weil… Menschen mit Behinderungen und «Potential»…? Wie meinen…? Behinderte sind doch diese… Zimmerpflanzen, die man – wenn’s denn halt unbedingt sein muss – irgendwo in eine stille Ecke, wo sie möglichst wenig stören, in die Möblierung hineinintegriert. Und die sich bitte auch gefälligst anzustrengen haben, möglichst «unbehindert» zu wirken sein. Währenddessen die Behinderungen «Frau» bzw. «Alter» mit «optimalen» Arbeitsbedingungen ausgeglichen werden sollen, auf dass Frauen und Ältere ihr wertvolles Potential möglichst «unbehindert» der Wirtschaft zur Verfügung stellen mögen.

Soweit die schöne Theorie jedenfalls. Bei jenen, die sie «unters Volk» bringen sollten hakt’s allerdings noch etwas, so machte Arbeitgeberdirektor Roland Müller Ende April die «innere Einstellung» der Frauen zur Berufsausübung für deren im Vergleich zu den Männern nach wie vor tieferen Löhne verantwortlich:

«Für gewisse Stellen müsse man bereit sein, höhere Anstrengungen auf sich zu nehmen, sagte Müller. Abklärungen hätten ergeben, dass sich eher Männer bereit erklärten, Arbeitszeiten weit über die regulären acht Stunden hinaus zu leisten, während Frauen vermehrt reguläre Arbeitszeiten und geordnete Arbeitsverhältnisse verlangten. Das sei ein wesentlicher Faktor für die Lohnunterschiede.»

Immerhin fügte Müller noch hinzu: «Somit sind es strukturelle Probleme, welche die Lohngleichheit zwischen Mann und Frau verhindern.» Dass er nicht «biologische» sondern «strukturelle» Gründe für die vermeintliche «Faulheit» der Frauen angab, kann man als geradezu «fortschrittlich» einstufen. So als Aussage eines privilegierten WHM (weisser heterosexueller Mann) über 50, der in seinem Leben vermutlich eher selten bis nie seine Kinder rechtzeitig aus der Kita abholen, zum Fussballtraining bringen, mit ihnen in Wartezimmern von Kinderärzten sitzen oder nach der Arbeit kurz vor Ladenschuss das Essen für die ganze Famile einkaufen und selbiges dann auch noch kochen musste.

Oder wie es die Politologin Michelle Beyeler einmal treffend formulierte: «Zu verdanken haben wir diese Situation einem Verständnis von Liberalismus bei dem der Mann von Selbstverantwortung spricht, damit aber eigentlich die Betreuungsdienstleistungen seiner abhängigen Ehefrau meint».

«Eigenverantwortung» ist ja ein Wort, dass im Zusammenhang mit der Invalidenversicherung auch gerne mal bemüht wird. Oder «mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbar». Gesagt wird es in der Regel von gesundheitlich, beruflich und sozial privilegierten Menschen Männern, denen die herrschenden Strukturen es erlauben, ihre Arbeitskraft weitestgehend ungehindert auszuschöpfen.

Un«behindert» von schweren gesundheitlichen Beinträchtigungen, Care-Verpflichtungen und zugleich gut unterstützt von einem Heer meist weiblicher «fleissiger Bienchen» im Hintergrund (beispielsweise die Mutter, die dem Jungkarrieristen die Wäsche wäscht, später die Kinder hütet, und noch später wiederrum von der Ehefrau gepflegt wird) die sich darum kümmern, dass der betreffende Herr seine «Eigenverantwortung» (*Hüstel*) voll und ganz wahrnehmen kann.

Wie wenig diese Strukturen (und vor allem die zum grossen Teil unbezahlte Gratisarbeit auf der sie fussen) hintersinnt werden, zeigt die kürzlich auf Twitter geführte Konversation:

ivinfo: Wenn wegen der #mei Frauen vermehrt berufstätig sein sollen; wer macht dann die bisher unbezahlte Care-Arbeit? Hat @Avenir_Suisse eine Idee?

Avenir_Suisse: Wer die Care-Arbeit macht, ist ein privater Entscheid. Wichtig ist eine höhere Flexibilität zwischen Familie und Beruf

ivinfo: Wenn unbezahlte Arbeit plötzlich kostet (Krippen, Pflegeheime ect) ist das kein privates sondern auch polit.+wirtsch. Problem.

Eine liberale DENK-Fabrik sollte darauf schon eine ungefähre Antwort haben. Dass sie keine hat, zeigt wie wenig man(n) sich bewusst ist, wie sehr die eigene so sehr gepriesene «Leistungsfähigkeit» auf Strukturen basiert, die das optimale Ausschöpfen der eigenen Arbeitskraft vor allem für einen ganz bestimmten Typus Mensch Mann begünstigt.

Die Aussage von Arbeitgeberdirektor Müller, dass «Frauen sich eben weniger anstrengen mögen» hat – zurecht – lautstarke Proteste hervorgerufen. Diese Proteste hätte es vermutlich vor nicht allzulanger Zeit so noch nicht gegeben, da war «klar»: Wer als Frau beruflich erfolgreich sein will, hat gefälligst wie ein Mann zu sein; sprich: nicht schwanger zu werden und auch keine Betreuungsaufgaben für Kinder zu haben.

Mittlerweile wirbt aber beispielsweise eine grosse Versicherung als «moderne Arbeitgeberin» in einem aktuellen Werbespot explizit mit flexiblen Arbeitszeitmodellen für Väter. Weil man – natürlich – gemerkt hat, dass den Bedürfnissen der MitarbeiterInnen angepasste Strukturen deren Zufriedenheit und damit auch deren Leistungsfähigkeit verbessern.

Diese Entwicklung stimmt mich doch einigermassen zuversichtlich, dass man irgendwann auch noch erkennen wird, dass man Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht ums Verrecken an die «Norm» (so wie einst der nicht schwangerwerdenkönnende Mann die «Norm» war) anpassen muss, sondern vielmehr Strukturen geschaffen werden, in denen sie – ähnlich wie Frauen mit Betreuungsaufgaben (was früher einmal eine veritable «Behinderung» im Arbeitsleben darstellte) ihr Potential zur Geltung bringen können.

Und ich glaube auch, dass solche Veränderungen nicht nur Menschen mit gesundheitlichen Beinträchträchtigungen, sondern allen MitarbeiterInnen zugute kommen werden. So wie heute selbstverständlich nicht nur Frauen, sondern auch Männer von flexiblen Arbeitszeitmodellen profitieren. Widerstandlos wird das nicht zu haben sein, aber das entlarvende am Widerstand ist ja, dass sich immer jene am erbittersten gegen eine Veränderung wehren, deren eigene Privilegien dadurch ins Wanken geraten. Könnte ja noch jemand merken, dass die eigene Position nicht ausschliesslich dem so plakativ hochgehaltenen Leistungswillen zu verdanken ist, sondern auch durch strukturelle Vorteile begünstigt wurde. Das hört man im liberalen wer-will-der-kann-Universum natürlich nicht so gern, das macht schon etwas Bauchweh.

Tasse Pfefferminztee, meine Herren?

Was ist Ihr Wort wert, Herr Bundesrat Burkhalter?

Nachdem der Nationalrat am 16. Dezember 2010 die Schlussbestimmung zur IV-Revision 6a über die «pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebilder» angenommen hatte, beschrieb ich in einem Blog-Artikel, weshalb diese Schlussbestimmung die Grundlage dazu legen würde, dass praktisch sämtliche psychischen Krankheiten von IV-Leistungen ausgeschlossen werden können – auch wenn Herr Bundesrat Burkhalter noch so oft beteuerte, dass die Schlussbestimmung eigentlich gar nicht so gemeint sei, wie sie formuliert ist und «Menschen mit schweren psychischen Störungen selbstverständlich nicht betroffen wären».

Der Artikel trug den Titel «BR Burkhalter lügt und überzeugt damit das Parlament». Er trug diesen Titel nicht sehr lange, denn ich erhielt bald nach der Veröffentlichung eine freundliche aber bestimmte Mail von Herrn Crevoisier, dem Chef de la communication du Département fédéral de l’intérieur in der ich aufgefordert wurde, «les textes calomnieux» auf meinem Blog unverzüglich zu löschen. Und weiter: «Il est du droit de tout un chacun de mener un combat politique controversé. L’échange d’arguments, s’il peut être vif, doit toutefois rester respectueux. M. le conseiller fédéral Didier Burkhalter mène sa carrière politique en s’assurant toujours de dire ce qu’il fait et de faire ce qu’il dit. Le traiter de menteur est injurieux».

Das sah ich ein. Ich änderte den Titel und löschte zwei Sätze. Der Artikel selbst aber blieb stehen. Damit ging die Angelegenheit für den Pressesprecher des EDI in Ordnung.

Die Sache mit den «pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern» aber, die ging gar nicht in Ordnung. Den einen oder anderen Ständerat, die eine oder andere Ständerätin vor der Differenz-bereinigung mittels einer von vielen Bloglesern unterstützen Mailaktion doch noch zum Umdenken zu bewegen, war insofern ein interessantes Experiment, als man sich immer wieder fragte: Glauben die Parlamen-tarierInnen tatsächlich an das von Herrn Burkhalter vorgebetete Mantra, «dass psychische Krankheiten nicht überprüft würden»? Einige Ständeräte (beispiels- weise Felix Gutzwiller von der FDP) hegten offenbar durchaus gewisse Zweifel und sprachen sich gegen die Schlussbestimmung aus. Die Mehrheit jedoch sprach sich dafür aus und wir werden wohl nie erfahren, ob aus reiner Gutgläubigkeit oder im genauen Wissen um die Folgen.

Fakt ist: Am 28. März 2011 (Gerade mal 10 Tage nach der Absegnung der IV-Revision 6a durch das Parlament) entschied das Verwaltungsgericht des Kantons Bern im Fall eines psychisch kranken Mannes, dass seine durch eine generalisierte Angststörung verursachten Symptome (Übelkeit, Erbrechen, Zittern, Konzentrationsstörungen, Hyperventilation, Schwindel, Müdigkeit, Schlafstörungen, Suizidgedanken) ja nicht auf organische Ursachen zurückzuführen wären, und «eine generalisierte Angststörung deshalb denselben sozialversicherungsrechtlichen Anforderungen zu unterstellen ist, wie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bzw. wie sämtliche pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebilder ohne nachweisbare organische Grundlage.» Das Gericht befand des Weiteren: «Es wäre denn auch kaum verständlich, wenn den Schmerzpatientinnen und -patienten grundsätzlich zuzumuten wäre, trotz unbestritten empfundener Schmerzen zu arbeiten, wogegen dem Beschwerdeführer grundsätzlich nicht zumutbar sein sollte, die Angstgefühle und deren Begleiterscheinungen zu überwinden (…)Damit liegt beim Beschwerdeführer trotz seiner Angststörung kein invalidisierender Gesundheitsschaden vor.»

Dies ist zwar (noch) kein Bundesgerichtsentscheid. Aber es ist genau das, was vorrauszusehen war.

Auch bei der schweizerischen Angst- und Panikhilfe hatte man bezüglich der Schussbestimmung Bedenken und deren Präsident hatte sich noch während der laufenden Ratsdebatten über die IV-Revision 6a an Bundesrat Burkhalter gewandt. Fraglich ist nun, was angesichts des eben geschilderten Gerichts-entscheides die bundesrätliche Antwort vom 22. März 2011 noch wert ist. Wenn ich mal kurz aus Herrn Burkhalters Brief an die Angst- und Panikhilfe zitieren darf:

«(…)Ihre Befürchtungen sind im Bezug auf die Angststörungen unbegründet, da diese aus unserer Sicht objektivierbar sind und eindeutig diagnostizierbare Gesundheitsstörungen darstellen

(…) Beschwerdebilder, bei denen eine Diagnose gestützt auf klinische (psychiatrische) Untersuchungen klar gestellt werden kann, werden im Rahmen der Schlussbestimmungen der Revision 6a dagegen nicht überprüft. Zu diesen Beschwerdebildern gehören auch die von Ihnen unter Frage 2 aufgeführten Angststörungen.»

Tja also, wie ist das denn nun: Was ist Ihr Wort wert, Herr Bundesrat?

Sparvorschlag: BSV-Studien streichen

Kann mal bitte einer auch den Parlamentariern und dem Bundesrat stecken, dass es sich bei den angeblich «schwer definierbaren Störungen nach Kategorie 646» um ein längst wiederlegtes Mysterium handelt? Danke.

Wie bereits berichtet hat die FDP im Nationalrat die Motion IV-Sanierung. Druck muss aufrechterhalten bleiben eingereicht. Darin fordert sie den Bundesrat auf, «die Gesetzgebung im Rahmen der IV-Revision 6b so abzuändern, dass bei Personen mit schwer definierbaren körperlichen oder psychischen Erkrankungen die Leistungen der IV sich auf die Behandlungs-qualität und auf die Eingliederungsmassnahmen konzentrieren und eine IV-Rente grundsätzlich nicht ausgesprochen wird. Der IV-Arzt soll in diesen Fällen allein die zweckmässigen Massnahmen entscheiden können.»

Der Bundesrat hat dazu inzwischen Stellung genommen und schreibt:

Der Bundesrat hat die Eckwerte der Revision 6b noch nicht festgelegt. Für ihn ist aber bereits jetzt klar, dass angesichts des Auftrages des Parlamentes Massnahmen insbesondere in denjenigen Bereichen unumgänglich sind, in denen die Kosten im Verlaufe der letzten Jahre besonders stark angestiegen sind. Dazu gehören in erster Linie die Berentungen aufgrund der schwer definierbaren psychischen Störungen (Kategorie 646). Der Bundesrat wird deshalb Massnahmen zur Reduktion der Anzahl Renten bzw. zur Einschränkung der Rentenanspruchsberechtigung bei dieser Personenkategorie vorschlagen. Welche Massnahmen das im Einzelnen sein werden, ist noch offen.

Die Motion geht somit in die richtige Richtung. Der Bundesrat ist deshalb mit deren Annahme einverstanden.

Wozu gibt eigentlich das BSV soviel Geld für grossangelegte Studien aus, wenn sich für die Resultate schlussendlich dann doch kein Schwein interessiert? Hätte man sich dann auch sparen können.

Nationalrätliche Motion gegen die Rechtssicherheit auf bestehenden IV-Renten

Das Bundesgericht entschied bislang schon verschiedentlich zu Gunsten von IV Bezügern, denen vor der 4. und 5. IV Revision Renten zugesprochen und nach erfolgter Gesetzesänderung wieder (teilweise) aberkannt wurden, da beispielsweise eine somatoforme Schmerzstörung nach heutiger Rechts-sprechung keine rentenauslösende Gesundheitsbeeinträchtigung mehr darstelle.

Das Bundesgericht jedoch gewichtete Rechtssicherheit und Vertrauensschutz höher als die Anwendung der neuen Praxis. Zudem hätten die Betroffenen zu Recht eine Rente bezogen und es wäre für sie sehr schwierig, sich nach so langer Zeit wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren.

An dieser Praxis des Bundesgerichts stören sich Nationalrat Reto Wehrli (CVP) und 49 Mitunterzeichnende Nationalräte, die den Bundesrat in der Motion Neuüberprüfung von laufenden IV-Renten. Rechtsstaatlich klare Regelung auffordern, rechtliche Grundlagen zu schaffen, um auch bereits laufende Renten, die der neuen Gesetzeslage nicht entsprechen, aufheben zu können.

Die Schwierigkeiten von Menschen, die jahrelang aus dem Arbeitsprozess ausgeschlossen waren und zudem unter einer (wenn auch laut neuer Gesetz-gebung «nicht nachweisbaren») gesundheitlichen Beinträchtigung leiden, überhaupt wieder eine Stelle zu finden, hält auch Katja Gentinetta, stv. Direktorin von Avenir Suisse, für komplett irrelevent. Sie schreibt in einem Artikel in der NZZ, dass auch die gegenwärtig steigende Arbeitslosigkeit keinen Grund darstelle, «die Invalidenversicherung zu einer – notabene wesentlich komfortableren- Dauerarbeitslosenversicherung zu machen». Die Invaliden-versicherung dürfe ausschliesslich einen Erwerbsersatz aus nachweisbaren gesundheitlichen Gründen garantieren.

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Die Perspektive aus dem komfortablen Nationalratssaal oder dem nicht minder komfortablen Vorstandsbüro von Avenir Suisse auf den realen Arbeitsmarkt für Menschen mit gesundheitlichen Beinträchtigungen (ob «nachweisbar» oder nicht) scheint gründlich verzerrt: Selbstverständlich spielt der Gesundheits-zustand und damit einhergehend auch die Leistungsfähigkeit eine entscheidende Rolle, ob  jemand auf dem Arbeitsmarkt überhaupt eine Chance hat. Auch als «objektiv überwindbar» geltende Beinträchtigungen sind, was sie sind: Beinträchtigungen, die es jeden Tag aufs Neue zu überwinden gilt und die es enorm erschweren mit den momentan rund 150’000 gesunden(!) Arbeitslosen in Konkurrenz zu treten.

Und wie sich da erst Menschen behaupten sollen, die bereits jahrelang berentet wurden…? Notabene nicht aufgrund von Betrug, sondern alleine durch die Praxis der IV-Behörden.

Kann es wirklich das alleinige Problem der Versicherten sein, wenn die Invalidenversicherung alle paar Jahre die Gründe für eine Berentung ändert?
Rechtssicherheit? Besitzstandwahrung? – Fremdworte für Behinderte und chronisch Kranke.
Selbst der Anspruch auf Wiedereingliederungsmassnahmen wird für jene nicht gegeben sein, deren Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung aufgehoben wird. Denn sie sind – auch wenn sie 10 Jahre oder länger berentet wurden, laut neuer Rechtsprechung «nicht behindert/krank».

Die Absicht dahinter ist klar: aus der «komfortablen Dauerarbeits-losenversicherung IV» sollen möglichst viele Menschen in die Sozialhilfe «verschoben» werden.